Die Briefe zweier Königskinder

26. Januar 2009 | Lippische Landeszeitung

Fesselnde Lesung aus „Loveletter“

(cd). 50 Jahre lang unaufhaltsam Briefe schreiben? Andy und Melissa begleiten einander auf diese Weise ihr Leben lang. „Briefe sind unsere Stärke und unsere Rettung“, schreibt Andy. Aus Albert Ramsdell Gurneys fesselnden „Love Letters“ lasen Grit Asperger und Joachim Ruczynski am Samstag bei „Kunst im Zimmer“.

Sie waren zwei liebende Königskinder: Melissa, die rebellische, emotionale, zynische, unglückliche und überaus direkte Künstlerin, die sich stets ins „Märchenland“ von damals zurücksehnt. Und Andy, der leicht spießig wirkende, sicherheitsliebende US-Senator. Sie können nicht ohneeinander, schaffen es aber auch nicht, zusammenzukommen. Warum nicht? Weil das Leben sie trennt.

Am Anfang ist alles so leicht. So offen, so unentdeckt. Was mit schüchtern-verliebten Zettelchen unter der Schulbank beginnt, wird im Laufe der Jahre zu einem unersetzlichen Dialog zwischen zwei Freunden, die sich alles anvertrauen. Mit Worten begleiten sie sich durch Sommerlager, Urlaube, Studium, Beziehungen, Hochzeiten, Scheidungen, Geburten, Umzüge, Verluste.

Egal, wo sie sind, sie sind sich nahe. „Bei den meisten Dingen, die ich in meinem Leben getan habe, habe ich an sie denken müssen“, schreibt Andy später, nach Melissas Tod, als er merkt, dass er sie schon immer geliebt hat, seit den Briefchen in der zweiten Klasse.

Rührselig ist diese Geschichte, und Grit Asperger und Joachim Ruczynski lesen die Liebesbriefe so wahrhaft ig, dass man als Zuhörer sich diesem Wechselbad der Gefühle gar nicht entziehen kann. Grit Asperger, Schauspielerin und Theatertherapeutin, fasziniert mit ihrem Ausdruck, der sich Melissas Gefühlslagen ganz annimmt: Vom enthusiastischen „Hallo!!“ über den liebenswerten Schmollmund bis hin zu den alkoholgetränkten Abstürzen sind ihre Stimme und ihre Mimik eins mit der Person, die sie darstellt.

Die Worte des schreibverliebten Andy rezitiert Joachim Ruczynski, Schauspieler und Regisseur am Landestheater, äußerst authentisch: Nüchtern klingt dies in Passagen, in denen Andy lieber seinem amerikanischen Scheinleben glauben will als seinen eigentlichen Sehnsüchten. Dramatisch, weil unwiderruflich, scheint der Moment, in dem alle verpassten Chancen bewusst werden. Ihre Blicke berühren sich nie, während Grit Asperger und Joachim Ruczynski lesen. Sie berühren sich nicht, weil da die Briefe sind, durch die sie sich sehen.

Eine wunderbare Lesung mit wunderbaren Vorlesern.